Schon früh seiner Zeit voraus: Paul Becker, der Wiederentdecker der Lesepfeife

Paul Becker, Jahrgang 1947 und aus einer alteingesessenen Pinneberger Tabakhändler- Familie stammend, muss man kennen, wenn man sich mit deutschen Pfeifenmachern beschäftigen möchte.

Warum „Muss“ man das? Weil Paul Becker einen so eigenständigen Stil entwickelt hat, dass man seine Pfeifen schon von weitem erkennen kann. Außerdem hat er einige Entwicklungen in der Pfeifenwelt vorweg genommen, die man heutzutage fast für selbstverständlich hält. Aber eins nach dem anderen.

Als Paul Becker nach der Schule eine Kaufmannsausbildung machte und in den elterlichen Tabakhandel einstieg, schien sein Weg vorgezeichnet. 1970 übernahm er mit seiner Frau das elterliche Geschäft in Pinneberg, in Hamburgs Speckgürtel. Nichtsdestotrotz war er seit seinem 16. Lebensjahr Pfeifenraucher und die jungen, überaus rührigen Dänen mit neuen Formen und Ansichten zum Pfeifenbau begeisterten ihn.

Es musste erst 1982 werden, als er anfing im Keller seines Wohnhauses eine Werkstatt für die Pfeifen- und Mundstückreparatur einzurichten. Der in der Nähe wohnende Rainer Barbi half ihm bei der Beschaffung von Maschinen und gab einiges an Know How weiter. Er war es auch, der ihn auf die Idee brachte, die eine oder andere Pfeife für sich selbst zu fertigen. Dafür durfte Paul Becker in Rainer Barbis Werkstatt mithelfen und ihm über die Schulter schauen.

Von ihm lernte er vieles über Proportionen, aber vor allem, dass präzise Arbeit und Sorgfältigkeit in der Ausführung die Grundbedingung ist, um Pfeifen auf hohem Niveau zu fertigen.

Als Paul Becker eines Tages in seinem Laden mit einer seiner selbstgebauten Pfeifen stand, wurde ein Kunde aufmerksam und bat ihn, auch eine Pfeife für ihn zu fertigen. Der Rest ist Geschichte. Acht Jahre lang verkaufte er nun in seinem Laden überwiegend seine eigenen Exemplare an Kunden, die aus der ganzen Republik zu ihm fuhren.

Es war 1990, als er sich entschied, den Laden zu schließen und sich nur noch auf den Pfeifenbau zu konzentrieren. So besuchte er zahlreiche namhafte Fachgeschäfte in Deutschland und konnte sie bald zu seinen Stammhändlern zählen. Auch Tabac Benden war in den 90er Jahren schon ein Kunde von Paul Becker. Seine Pfeifen waren in den Schadowarkaden an der Düsseldorfer „Kö“ zu bewundern.

Ich selbst kann mich noch daran erinnern, wie ich minutenlang vor einem Essener Fachgeschäft stand und mir die Nase am Schaufenster (das mit Paul Beckers Pfeifen gefüllt war) plattdrückte.

Paul Becker war es, der die Churchwarden, die heutzutage absolut allgegenwärtige Lesepfeife, aus dem Dornröschenschlaf weckte. Denn in den 90er Jahren waren diese Modelle absolute Exoten. Ging man in ein Fachgeschäft und suchte eine Pfeife mit langem Mundstück, wurde man meistens nicht fündig. Außer der Fachhändler war ein Kunde von Paul Becker.

Damals wie heute sind seine Lesepfeifen überaus raffiniert konstruiert. Lesepfeifen haben ein Verlängerungsstück aus verschiedenen Materialien (z.B. Bambus, Bruyere, Horn), auf das ein herkömmliches Mundstück gesetzt wird. Dabei passt das Mundstück auch direkt in den Pfeifenholm. So kann man die Pfeife ganz nach Belieben mit kurzem Mundstück oder mit Verlängerungsstück als Lesepfeife rauchen.

Ein weiterer Punkt, wieso Pfeifen von Paul Becker für viele heutige Pfeifenmacher Inspiration und Vorbild sind, ist die Tatsache, dass er schon früh auf helle Farbtöne und Kontrastbeizung setzte. Dies zu einem Zeitpunkt, als überwiegend Schwarz-, Rot- und Brauntöne in den Auslagen der Pfeifenhändler vorherrschte.

Was die Qualität seiner Hölzer und die Verarbeitung betrifft, gab und gibt es auch nie etwas zu meckern. Natürlich sind alle Pfeifen kitt- und lackfrei. Außerdem schaffte es Paul Becker, ein so makelloses Hochglanzfinish zu erzeugen, dass man denken könnte, die Pfeifen seien lackiert. Sind sie aber ausdrücklich nicht!

Ob mit oder ohne Filter ist bei Paul Beckers Pfeifen übrigens kein großes Thema. Natürlich baut er auch Pfeifen mit Normalbohrung. Doch auch seine 9mm-Pfeifen werden serienmäßig mit einem passgenauen (!), handgemachten Filteradapter ausgeliefert, der nach Belieben herausgenommen werden kann.

Über die Jahre ist sein Händlernetz etwas geschrumpft, aber wir freuen uns, nun wieder Freehand-Pfeifen von Paul Becker im Sortiment zu haben. Er ist sozusagen eine „lebende Pfeifenmacherlegende“, dessen Pfeifen zum Glück noch recht gut zu bekommen sind. Wenn auch nicht viel – ungefähr 100 Stück pro Jahr.

Greifen Sie also zu!

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