Vor nicht allzu langer Zeit hatten wir hier Leander Hirthe als Gastautor, den wir unserer Meinung zu Recht als „Deutschlands bekanntesten Peterson-Sammler“ bezeichneten. Wenn wir nun zu unserem nächsten Gastautor kommen, müssen wir auch wieder den Bogen zu Peterson schlagen. Denn Dr. Michael Sauer (auch bekannt als „Dr.MiSau), Chemiker, ist mit Sicherheit Deutschlands bekanntester Peterson- Fachmann. Kaum eine Serie die ihm nicht bekannt ist, kein Shape das er nicht schon einmal in der Hand hatte, und keine Silberpunze die unidentifiziert bleibt. Und er ist ein rühriger, hilfsbereiter Pfeifenfreund, den man gerne um Rat und Tat im Social- Media Umfeld fragt.
Ihn haben wir gefragt welches Thema er in unseren Blog gerne einmal herausstellen möchte. Seine Antwort war ganz klar „Die Lust der Leute Ihre Pfeifen kaputt zu pflegen“. Lesen Sie nun seine Betrachtungen zu diesem Thema:
In letzter Zeit geisterten wieder zahllose Pflegeempfehlungen durch die einschlägigen Pfeifen-Social-Media-Gruppen, Hilferufe der Art: „Meine Pfeifen riechen nach Rauch – was kann ich tun?“ bis hin zu ausführlichen Anleitungen, eine Pfeife durch Pflege nachhaltig zu ruinieren.
Und immer wieder steht die unsägliche Salz-Alkohol-Methode im Mittelpunkt der Freveltaten an armen unschuldigen Pfeifen…
Wenn ich mich recht erinnere, wurde diese Methode erstmals von R.C. Hacker schwarz auf weiß festgehalten, sie ist aber vermutlich weitaus älter. Ziel dieser Methode ist es, schlechte Geschmäcke, Muff und Ranz aus dem Pfeifenkopf zu vertreiben – bei Pfeifen, die man zur Aufarbeitung gebraucht erworben hat.
Dazu kann man notfalls mal diese Methode in Ausnahmefällen heranziehen. Wirkungsvoller und mithin schonender funktioniert aber eine Ozonkammer, wie Christian Oehme sie bspw. hat.
Immer öfter aber tauchen Posts auf, wo voller Freude berichtet wird, dass man seine eigenen Pfeifen mehrmals im Jahr auf diese Art und Weise malträtiert – und das ist so zielführend wie Seidenblusen in die Kochwäsche zu geben.
Schauen wir uns das Prozedere einmal genau an: zuerst einmal muss die KOMPLETTE Kohleschicht aus dem Kopf geschliffen werden (Dremel), bis wirklich wieder das blanke, helle Holz freiliegt. Dann füllt man Kochsalz in den Kopf und gibt einige Tropfen reinen Alkohol zu. Der Alkohol fungiert in diesem Falle als Löse- und Transportmittel – er löst das Kondensat, welches in das Holz eingedrungen ist, aus diesem heraus und transportiert es in das Kochsalz. Das funktioniert, weil das Kochsalz ein hohes Potential hat, Stoffe in sein Kristallgitter einzulagern!
Ein kleiner Ausflug in die Chemie: Kochsalz hat einen kubischen Kristalltyp, der sich in der Raumgruppe Fm3m ausprägt. Im Kristallgitter sind genügend Lücken, in denen sich diverse Stoffe einlagern können – in diesem Falle das Kondensat in seinem Transportmittel Alkohol. Das funktioniert eben, weil das Kochsalz ein solch hohes Einlagerungspotential hat, und förmlich funktioniert wie ein Schwamm. Dazu aber muss das Einlagerungspotential des Salzes eben höher als das des angrenzenden Mediums sein, in dem Falle Bruyereholz, – wäre es das nicht, würde es nicht funktionieren. Das ist auch der Grund, warum bis aufs blanke Holz ausgeschliffen werden muss – lasse ich die Kohleschicht in der Pfeife, funktioniert die Methode nicht. Idealisiert ist die Kohleschicht nichts anderes als Aktivkohle, und die hat selber ein so hohes Einlagerungspotential, dass da im Wesentlichen nichts vom Salz herausgesaugt werden kann! Wer also die Salz-Alkohol-Methode mit nicht ausgeschliffenen Pfeifenköpfen durchführt, kann es im Grunde auch direkt lassen. Diese Überlegungen führen zu einer weiteren Methode, in der man nicht Salz in den ausgeschliffenen Pfeifenkopf füllt, sondern Aktivkohle, und als Transport- und Lösemittel wird hier Wärme eingesetzt – die so befüllten Pfeifen müssen (ohne Mundstück!!!) in den Backofen.
Beiden Verfahren gemein ist aber eben die Tatsache, dass sie nur bei blank ausgeschliffenen Pfeifenköpfen zufriedenstellend funktionieren, um die benötigte Differenz im Einlagerungspotential zu erzielen. Das bedeutet, dass ich natürlich nach Beendigung der Prozedur wieder die Pfeife komplett neu Einrauchen muss, und dabei verbrenne ich selbstverständlich, wie beim ersten Einrauchen auch, die obere Bruyereschicht wieder zu Kohle – das ist gewollt und muss so sein!
ABER!!! Wende ich nun diese Salz-Alkohol-Methode (oder auch die Aktivkohlemethode) regelmäßig an, bedeutet das, dass ich jedes Mal die gebildete Kohleschicht beim Ausschleifen entferne und wieder beim Einrauchen ein bisschen Bruyere in Kohle verwandele.
So wird die Wand des Pfeifenkopfes dünner und dünner, und irgendwann sieht sie dann mal so aus wie im ersten Bild – hier ist der Durchbrenner vorprogrammiert!
Im Vergleich dazu eine entsprechende Pfeife mit der Originalwandstärke im 2. Bild. Deswegen sollte dieses Verfahren die absolute Ausnahme bleiben und nicht zur Regel werden – die meisten Pfeifen werden nicht kaputt geraucht, sondern kaputt gepflegt!!!
Darüber hinaus wird gerade die Salz-Alkohol-Methode auch oft schlichtweg falsch ausgeführt. Man MUSS reinen Alkohol nehmen! Viele arbeiten aber mit 70%igem Alkohol, weil sie den zur Reinigung und Desinfizierung eh rumstehen haben. Und neulich wurde gar einmal Zitronensaftkonzentrat auf das Kochsalz im Pfeifenkopf geträufelt, weil man damit ja auch auf einem Pfeifenreiniger prima die Rauchkanäle enzymatisch neutralisierten kann. Was passiert bei solchem Vorgehen? Warum MUSS der Alkohol möglichst wasserfrei sein, warum DARF kein Wasser auf das Salz?
Salz ist in Alkohol unlöslich, in Wasser löslich. Wenn man 70%igen Alkohol verwendet, haben wir eben 30% Wasser, das, genau wie der Zitronesaft, der auch im Wesentlichen aus Wasser besteht, das Salz im Kopf auflöst. Nun zieht das gelöste Salz ins Holz ein, das Wasser verdunstet peu a peu, und das Salz kristallisiert im Holz wieder aus. Raucht man die Pfeife, und sie wird warm, dehnt sich das Salz sehr stark aus und sprengt regelrecht die Holzoberfläche im Kopf.
Ich selber habe dieses Folterverfahren für Pfeifen bei meinen eigenen, die ich neu gekauft habe, noch nie praktiziert. Und die sind zum Teil schon seit über 40 Jahren im Betrieb.
Und auch bei Pfeifen, die gebraucht zu mir kommen, bin ich äußerst vorsichtig und zurückhaltend damit – selbst wenn sie extremst verdreckt sind.
Nach erfolgter Säuberung, Desinfektion und Neutralisierung reduziere ich den Cake angemessen und dann rauche ich die aufgearbeiteten Pfeifen zuerst einmal Probe. Daraufhin entscheide ich, ob ich sie derart quäle oder nicht. Bisher habe ich tatsächlich solche Methoden bei ca. 200 Pfeifen, die ich wieder flott gemacht habe, höchsten 5 oder 6 Mal anwenden müssen! Ich rauche halt Pfeifen lieber, anstatt sie zu ruinieren!
Also, meine ganz persönliche Empfehlung: Salz auf´s Ei, Alkohol in den Hals, und Pfeifen, die wirklich miefen in die Ozonkammer!
Pfeifen- Pflegeprodukte von Christian Oehme finden Sie übrigens hier.