Gastautor Willi Albrecht: „Der Umstieg“ – Wie ich zum Pfeiferauchen ohne Filter fand

Hin und wieder ergibt sich für uns die Möglichkeit, einen Gastautor für unseren Blog zu gewinnen. Diesmal ist es uns bei Willi Albrecht gelungen. Willi Albrecht begleitet die Pfeifenszene seit Jahrzehnten und war an vorderster Front, als sie sich Ende der 90er Jahre im Internet zusammenfand. Er hat selbst lange Zeit eine Homepage mit Forum zum Thema gestaltet, und viele interessante Artikel verfasst. Viele kennen und schätzen ihn. Außerdem ist er Pfeifenfotograf allererster Güte.

 

Willi nimmt uns mit zu Szenen, die ihm das Pfeiferauchen ohne Filter nahebrachten. Es war fast ein Versehen. Vielleicht findet der eine oder andere Inspiration und Anregungen bei seinen Ausführungen:

Der Umstieg

Willi Albrecht

Im zarten Alter von 20 Jahren besorgte ich mir meine erste Pfeife und, ich weiß es noch wie heute, einen Beutel Clan, weil „Clan-Raucher müsste man sein“. Erwartungsvoll stopfte ich mir die riesige Oohm Poul bis zum Rand voll, zündete sie erwartungsvoll mit mächtigen Zügen an und warf alles 5 Minuten später in die Ecke. Meine Zunge war zum Lederlappen mutiert und irgendwie entwickelte das Zimmer ein Eigenleben und drehte sich um mich.

 

Irgendwann erfuhr ich zufällig, dass es auch Pfeifen mit einer größeren Bohrung gäbe, in die ein Filter gesteckt würde, der all die Schmerzen und Schwindelgefühle erfolgreich bekämpfen und der in 99% aller Pfeifen sitzen würde. Na prima, und gerade ich musste eine Pfeife aus diesem 1%-Anteil erwischen.

 

Ich gab mir also noch einmal einen Ruck, lief zum Kiosk, diesmal allerdings schon als Fachmann, und verlangte nach einer 9 mm-Filter-Pfeife. Jetzt erwarb ich eine Dublin, auch äußerlich sollte sie sich von dem letzten Tabakkocher unterscheiden.

 

Den Clan fand ich noch in einer Schublade, füllte ihn voller Hoffnung in die Pfeife, lehnte mich zurück und ergab mich erbarmungslos dem zweiten Selbstversuch.

 

Was war das? Das Beißen auf der Zunge blieb aus, ja der Tabak schmeckte irgendwo sogar nach mehr als nach trockenem Gras und ich rauchte Pfeife und bildete mir ein glücklich und entspannt zu sein. Die Zungenmutation setzte diesmal nach ungefähr einer Viertelstunde ein, doch das Zimmer blieb ruhig.

 

Von diesem Zeitpunkt an rauchte ich immer mit einem Kohlefilter zwischen meiner Zunge und dem glühenden Tabak und war glücklich damit. Natürlich versuchten mir andere Pfeifenraucher klarzumachen, dass wahrer Tabakgenuss nur ungefiltert möglich sei, doch tapfer blieb ich auf meinem eingeschlagenen Weg und lachte über diese Ignoranten, die immer mit verbrannter Zunge durch ihr Leben gingen und nichts von den schönen und angenehmen Seiten des Lebens verstanden.

 

Eines schönen Tages betrat ich den Laden meines Tabakhändlers. Pfeifenreiniger und eine 200er Packung Kohlefilter sollten es sein, sonst eigentlich nichts. Doch das Schicksal schlug wie so oft erbarmungslos und unerwartet zu. In diesem Fall in Form einer edlen Straight Grain, von einem bekannten dänischen Pfeifenmacher in Handarbeit gefertigt. Für mich gefertigt. Ich konnte sie einfach nicht mehr aus der Hand legen.

 

Als ich sie zur Ladentheke brachte und zitternd meine Kreditkarte zückte, brach die Welt unter mir zusammen und wie aus weiter Ferne hörte ich die Stimme meines Händlers: „Die ist aber ohne Filter!“ Was? Meine Knie wurden weich, ich krallte mich in die Theke, das konnte doch nicht wahr sein. Der Holm war umfangreich genug um einen Filter aufzunehmen, sie stand zwischen 5 anderen Filterpfeifen, der Däne macht doch auch welche mit. Es half nichts, sie hatte die Normalbohrung, unmöglich dort einen Filter reinzustecken, wie ich wie durch Nebel erkennen konnte.

 

„Na und?“ Hatte ich das jetzt gesagt? Wie, was? „Prima, dann probier es doch mal aus, wirst sehen, das klappt.“ Zu spät, kein Zurück mehr. Mein Pfeifenhändler, der vor fünf Minuten noch mein Freund war, hatte die Kreditkarte schon durchgezogen, der Automat ratterte und ich besaß eine filterlose Edelpfeife.

 

Später im Auto wurde mir erst der ganze Umfang meiner schändlichen Tat bewusst. Sie würde mir nie schmecken, ein unwürdiges Dasein im Pfeifenschrank fristen und mich auf ewig an meine Dummheit erinnern.

 

Zuhause angekommen, beschloss ich tapfer wie ich nun mal bin, ihr wenigstens eine kleine Chance zu geben. Ich füllte sie zur Hälfte mit meinem Lieblingsvirginia, der mir als leicht und zungenfreundlich bekannt war, und zündete sie an. Die ersten Züge erinnerten mich direkt an mein Jugenderlebnis und ich wollte das Experiment schon abbrechen. Doch dann fiel mir ein, dass man ohne Filter einen geringeren Zugwiderstand hat und stopfte den Tabak vorsichtig während des Rauchens fester. Bei diesem Druck wäre eine Filterpfeife schon hoffnungslos verstopft gewesen, aber hier schmeckte es plötzlich besser und vor allem milder auf der Zunge.

 

Dann erinnerte ich mich noch, irgendwo gelesen zu haben, dass man ohne Filter ruhiger und nicht so kräftig ziehen sollte, um die Pfeife nicht zu überhitzen. Auch das setzte ich gleich in die Tat um und wunderte mich, dass der Tabak bei diesem langsamen, vorsichtigen Rauchen nicht erlosch.

 

Als ich später zum ersten Mal meinen Lieblingsflake zum „U“ gefaltet in die Pfeife stopfte, erlebte ich eine neue Überraschung. Endlich konnte man den unzerkleinerten Flake ohne dauerndes Nachfeuern und stochern rauchen und vollkommen genießen.

 

Zurückblickend kann ich sagen, dass ich ungefähr eine Woche mit drei täglichen Pfeifenfüllungen gebraucht habe, um mich an den neuen, intensiveren Geschmack und das andere Rauchverhalten zu gewöhnen. Mittlerweile rauche ich alle Pfeifen ohne Filter, auch meine älteren, die alle eine 9 mm-Bohrung haben. Einen Adapter, der den Querschnitt verringert, benutze ich nicht.

 

Die Bandbreite der verfügbaren Pfeifenmodelle hat sich seit diesem Umstieg natürlich immens erweitert. Pfeifen mit schlanken Bambusholmen z.B. bleiben dem Ofi-Raucher vorbehalten.

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