Eines der Dinge, die ich in den letzten 22 Jahren in der Zigarrenbranche gelernt habe, ist, dass anscheinend niemand starke Zigarren mag. Ich kann mich an Hunderte, nein, eher Tausende Gespräche mit Zigarrenrauchern erinnern, in denen ich nach milden Exemplaren des braunen Goldes gefragt wurde. Anscheinend hatte bisher die überwiegende Zahl von Aficionados eine regelrechte Angst vor kräftigen Zigarren (apropos, wir benutzen die Begriffe „stark“ und „kräftig“ synonym, finden jedoch, dass „kräftig“ besser zur Zigarre passt!) Die oben geschilderte „Phobie“ führt dazu, dass die überwältigende Mehrheit der Genussraucher in unseren früheren Ladengeschäften eher nach hellen, dünnen und damit vermeintlich harmlosen Zigarren fragte. Hinzu kommt sicherlich, dass für viele eine schlankere, helle Zigarre auch eleganter aussieht als ein dunkelbrauner, öliger „Balken“.
Dass dem nicht so ist, sondern, dass es darauf ankommt, welcher Tabak verwendet wurde und wie dieser fermentiert und gelagert wurde, ist den meisten nicht bekannt. Aber für diese notwendige Aufklärung sind wir ja dann für Sie vor Ort! Zusätzlich mag da das ein oder andere Erlebnis mit hineinspielen, bei dem vielleicht mancher dann doch grün um die Nase wurde und sich so vielleicht sogar des Spotts seiner Umgebung aussetzte. Klassische Situationen sind hier sicherlich Hochzeiten oder sonstige unregelmäßige Veranstaltungen, zu denen man Zigarren angeboten bekam, die man dann nicht ablehnen konnte oder wollte. Bei uns gibt es da den schönen Spruch: Wenn für lau, dann jau!
Eine schöne Entwicklung der letzten Jahre ist jedoch eine diesem früheren Eindruck entgegenlaufende Entwicklung. So merken wir zunehmend, dass wir bei uns in der Cigarworld Lounge immer besser informierte Zigarrenliebhaber zu Besuch haben, denen die (theoretische) angebliche Stärke einer Zigarre nicht so wichtig ist. Einer der häufigsten Sätze ist mittlerweile eher: „Was gibt es Neues?“. Im Anschluss daran wird dann philosophiert, abgewogen und schließlich die interessanteste Zigarre gewählt, die auch durchaus einmal deutlich stärker sein darf. Der Trend zur starken Zigarre ist uns daher sehr recht, wir freuen uns mit dem Zigarrenliebhaber, wenn er neues Terrain betritt, sich neue Geschmackswelten eröffnet und er sich mit uns am gemeinsamen Hobby erfreut!
Eine Besonderheit in diesem Zusammenhang ist sicherlich die Situation der kubanischen Puros. Viele der habanophilen Zigarrenraucher, insbesondere jene mit einer ausgeprägten Vorliebe für das Thema Aging, sind der Meinung, dass seit Mitte der 1990er Jahre eigentlich nichts Kräftiges, nichts richtig Starkes mehr aus Kuba kommt. Ich erinnere mich an ein Gespräch vor einigen Wochen mit einem unserer Kunden aus dem asiatischen Raum, der für sich entscheiden hat, nichts „Neues“ zu rauchen, sondern ausschließlich Habanos aus den Jahren vor (!) 1995. So spannend dies für den ein oder anderen auch klingen mag, alleine aufgrund der hohen Preise für diese Vintage-Zigarren dürfte dieser Vorsatz für die meisten von uns in keinster Weise in Frage kommen.
Mein Fazit zum Thema starke Zigarren lautet daher: Schön, dass der Aficionado heute nicht mehr so sehr auf das Thema Stärke fixiert ist, sondern dieses lediglich als eine Komponente, als einen Parameter von vielen ansieht und sich nicht davon abschrecken lässt! Gute Beispiele sind hier sicherlich die erfolgreichen Cain Zigarren mit ihrem sehr hohen ausgewiesenen Anteil an Libero sowie einige der neueren, sehnsüchtig erwarteten Produkte von Litto Gomez‘ La Flor Dominicana, die dafür bekannt sind, die nach oben offene Stärkeskala in diese Richtung zu sprengen!
Kompliment !!! Sehr guter Artikel !! Bitte mehr davon. Danke im vorraus.
Gruß aus Österreich
Danke! Es wird mehr davon kommen…. :-)