Als wir kürzlich alte, aber neuwertige kleine Pfeifen aus der geschlossenen Heibe-Pfeifenfabrik in unseren Shop hochgeladen und sie mit „Shagpfeifen“ betitelt hatten, kam umgehend die Rückfrage, was es mit diesem Begriff auf sich habe. Denn alltäglich ist der Begriff heutzutage nicht mehr.
Heibe Shagpfeifen hier: Heibe Pfeifen
Shag ist Feinschnitt, sehr fein geschnittener Tabak, unterhalb von 1,6 mm Schnittbreite. Damit eignet er sich ganz hervorragend zum Drehen von Zigaretten. Klassische Feinschnitte sind z.B. so genannte „Zwaar“- oder „Halfzwaar“-Sorten niederländischer Machart. Shagpfeifen sind also Pfeifen, in denen man Feinschnitt raucht.
Feinschnitt in Pfeifen zu rauchen, hat im deutschsprachigen Raum eine sehr lange Tradition. So sparte man sich das – nach dem Krieg oder in der Wirtschaftskrise – teure Papier für Zigaretten. Eine Holzpfeife war einfach die wirtschaftlichere Alternative. Sie war wiederverwendbar, robust und ging selten kaputt. Wer zudem Tabak selbst anbaute, war vollkommen unabhängig.
Wenn man dennoch Tabak kaufen musste, war Feinschnitt-Tabak die preisgünstigere Alternative zu Zigaretten, da deutlich geringer besteuert. Auch heute noch ist Feinschnitt weniger hoch besteuert als Zigaretten.
Damals gab es vor allem im thüringischen Ruhla, aber auch im oberbergischen Bergneustadt viele Fabriken, die Shagpfeifen oder Mutzpfeifen zu Millionen Stück herstellten. Dass diese nicht modernen Maßstäben an Qualität und Aussehen genügen, dürfte sich von selbst verstehen.
Gemeinsam haben diese Pfeifentypen bulldog- oder princeartige, kleine, flache Köpfe, die häufig facettiert ausgeführt waren. Einfachere Modelle waren aus heimischen Holzarten wie z.B. Nussbaum gefertigt. Bessere Modelle, die ein paar Pfennige mehr kosteten, waren aus Bruyereholz und trugen den „Bruyere Garantie“- Stempel. Damals ein echtes Qualitätsmerkmal.
Natürlich hatten diese Pfeifen Kittstellen, und natürlich waren sie häufig lackiert. Die Mundstücke waren oft aus Nylon oder Horn hergestellt, und es gab so etwas wie einen „Standard“ bei Form und Abmessungen. Es war nicht ungewöhnlich, dass man in einem Fachgeschäft ein Ersatzmundstück für seine Pfeife „von der Stange“ kaufen konnte.
Alles in allem war die Shagpfeife fast ein Jahrhundert in Deutschland ein sehr gewohnter Anblick. Max Mustermann, den man Pfeiferauchend auf der Straße traf, rauchte sehr wahrscheinlich eine Shagpfeife. Natürlich gab es andere Pfeifen. Sei es aus Bruyere, Ton oder Meerschaum. Diese Pfeifen waren allerdings eher für den gemütlichen Genuss zu Hause vorgesehen, und in ihnen rauchte man dann auch „den guten“ Krüllschnitt = Pfeifentabak.
Bis Anfang der 50er Jahre waren helle Orient-Mischungen und Java-Tabake die beliebtesten Tabake im deutschsprachigen Raum. Virginia und Burley setzte sich erst allmählich nach dem Krieg durch. Erheblich dazu beigetragen hat mit Sicherheit die „Ersatzwährung“ Zigaretten – mit so bekannten Marken wie Lucky Strike, Chesterfield oder Camel.
Will man heute noch ein wenig dem einst typisch deutschen Tabakgeschmack nachspüren, sollte man sich mit Sorten wie Hansa Krüll oder Exclusiv Mixture No.1 beschäftigen. Hansa Krüll kann man auch ganz hervorragend in einer Shagpfeife genießen! Doch echte Orient-Feinschnitte, die zum Zigarettendrehen geeignet sind, gibt es heute leider nicht mehr.
Zu den Shagpfeifen, die jetzt bei uns im Shop zu finden sind, gibt es übrigens auch Wissenswertes zu berichten. Sie stammen aus einer geschlossenen Pfeifenfabrik. Die Firma Heibe war in Bergneustadt im Oberbergischen ansässig, und manchen ist der Name noch ein Begriff wegen der Pfeifenfilter, die sie ebenfalls herstellte. Die Pfeifenproduktion wurde allerdings in den 90er Jahren eingestellt. Unzählige Shagpfeifen, halbfertige Fabrikate, Materialien und Hölzer wurden vom findigen und geschäftstüchtigen Markus Fohr (der Mann hinter Old German Clay Pipes aus dem Westerwald) aufgekauft. Er hat uns die Shagpfeifen angeboten, und wir wollten es einmal mit diesem geschichtsträchtigen Klassiker probieren.
Hergestellt wurden die Shagpfeifen in unserem Sortiment vermutlich Ende der 40er, Anfang der 50er Jahre.
Wer also ein echtes Stück deutsche Tabak- und Pfeifengeschichte sein Eigen nennen möchte, sollte unbedingt eine Shagpfeife besitzen!