Unser Besuch bei der Dunhill Pfeifenmanufaktur in London

Es gibt einige Orte auf der Welt, die definitiv den Status eines „Pfeifenmekka“ haben. Dazu gehört ganz klar die Manufaktur von Dunhill „The White Spot“ in London. Dessen Existenz übrigens in jüngster Zeit immer wieder angezweifelt wurde. Offenbar gibt es auch in der Pfeifenwelt „Verschwörungsgläubige“, die die Ansicht vertreten, dass Dunhill-Pfeifen (suchen Sie sich das passende aus) in Frankreich, Italien, Albanien, Polen, Spanien oder China gefertigt werden.

Ich kann Ihnen versichern, das alle Produktionsmitarbeiter nicht den Eindruck vermittelten, als ob sie eigens für unseren Besuch engagierte Schauspieler wären und auch die Maschinen machten einen sehr benutzten Eindruck. Im Übrigen waren sie auch nicht aus Pappmaché. Die Produktion lief, während wir vor Ort waren, und dankenswerterweise konnte so das eine oder andere Mundstück meiner Pfeifen wieder auf Hochglanz gebracht werden.

Der Standort der Manufaktur ist im Londoner Norden. Also muss man – von Südosten kommend – zunächst durch den anstrengenden Londoner Stadtverkehr. Die Fahrt selbst durch den Euro-Tunnel ist unkompliziert, schnell und preisgünstig. Ich kenne die Lage der Manufaktur noch aus eigener Erfahrung und habe sie als überraschend funktional und nüchtern in einem Industriegebiet in Erinnerung. Zehn Jahre später sind um das Gelände zahlreiche Wohneinheiten entstanden, die Gentrifizierung hat auch hier Einzug gehalten.

Wir wurden herzlich von Kalmon Hener und seinem Hund Mr. Buttons in Empfang genommen. Für viele ist überraschend, dass kein englischer Gentlemen die Marke führt, sondern ein waschechter Münchner, der mit einem wahrnehmbaren deutschen Akzent englisch spricht. Sein Kleidungsstil entspricht dann wieder der Erwartung: Er ist definitiv eines englischen Gentlemens würdig.

In über zwanzig Jahren Pfeifengeschäft hat man schon viele Persönlichkeiten in der Branche kennengelernt. Die meisten Protagonisten haben beruflich bedingt zum Thema Pfeife eine gewisse – und oftmals auch gesunde – Distanz aufgebaut. Dies lässt sich über Kalmon Hener nicht behaupten. Er „lebt“ die Marke, lebt die Pfeife, raucht und sammelt selbst sehr gern. Sein Privathaus ist gespickt von Pfeifenständern, die überwiegend mit alten Dunhill-Pfeifen gefüllt sind. Besonders die alten Dosen Balkan Sobranie sind uns ins Auge gestochen. So kann Kalmon im Gespräch mit echten „Freaks“ mehr als mithalten und aus dem Stand Silberpunzen datieren oder das Produktionsjahr sehr alter Dunhill-Pfeifen zuordnen. Diese Expertise ist gerade auf der Leitungsebene ist sehr, sehr selten zu finden.

Das Gebäude der Manufaktur selbst ist ein Funktionsbau der 80er Jahre, dessen Innenräume erst kürzlich renoviert wurden. Zeitnah steht nun das Dach an. Es beherbergt Verwaltung, Produktion, Lager und Archiv. Neben Pfeifen werden hier übrigens auch sehr feine Lederwaren hergestellt.

Die Maschinen der Pfeifenproduktion sind wie in vielen Manufakturen betagt, aber gut gewartet und funktionstüchtig. Den Mitarbeitern sind verschiedene Funktionen zugewiesen, und man arbeitet in der Regel von 8 bis 16:30 Uhr. Unbedingt einzuhalten sind übrigens die Teepausen, bei denen ich immer wieder auch Fotos machen konnte.

Die Bruyere-Knappheit merkt man übrigens auch bei Dunhill. Diese war übrigens bei Dunhill schon immer immanent, wie Kalmon betont. Da man nur die fehlerfreisten Hölzer kauft, war die Beschaffung von Material noch nie einfach.

Im hinteren Teil des Lagers stehen große, metallene Schubladenschränke die mit fertigen Pfeifen gefüllt sind. Hier haben wir uns gerne bedient und für unseren Warenbestand eingekauft. Die allermeisten Pfeifen, die dort liegen, sind ohne Silberapplikation. Wünscht man dies, wird je nach Wunsch noch ein 3, 6 oder 10mm Silberring aufgezogen.

Vor dem Brexit sind die Pfeifen dann direkt von London zu den jeweiligen Kunden und Distributeuren gegangen. Heutzutage müssen die Pfeifen einen Umweg über das Zentrallager in Frankreich machen, in dem auch der zolltechnische Verwaltungsakt durchgeführt wird. Leider hat man hierdurch deutlich an Flexibilität verloren. Der Prozess ist außerdem ziemlich zeitaufwändig. Mit unseren Pfeifen rechnen wir daher erst in ein paar Monaten.

Beim betrachten der Pfeifen im Lager war jedenfalls auffällig, wie breit das Sortiment von Dunhill ist. Dennoch gibt es gewisse Trends, die sich immer wieder in einer Art „Wellenform“ darstellen. Derzeit sind wieder eher kleinere Pfeifen gefragt und sandgestrahlte Oberflächen am begehrtesten. 9mm-Pfeifen spielen auch verstärkt eine Rolle – auch wenn hier bauartbedingt die Shape-Vielfalt geringer ist. Im Gegensatz zu fast allen anderen Pfeifenherstellern ist übrigens das Verhältnis von geraden zu gebogenen Pfeifen in der Produktion bei 70 zu 30. Also 70% gerade Pfeifen, 30% sind gebogen. Bei den meisten anderen Herstellern ist das Verhältnis genau umgekehrt.

Abgesehen von Dunhill-Pfeifen werden hier auch Parker-Pfeifen und Charatan-Pfeifen hergestellt. Gerade was Charatan betrifft, wartete auf uns noch eine kleine Überraschung. Bei der der Renovierung des Verwaltungsteils der Fabrik wurden in einem Nebenraum zahlreiche unglaublich gut gemaserte Charatan-Pfeifen gefunden, die wohl irgendwann einmal die Prunkstücke im Showroom waren. Teilweise mit Straight-Grain-Maserungen, wie man sie sonst nur aus Büchern kennt. Wir haben das Glück, genau diese Pfeifen erwerben zu können. Von dieser sehr exklusiven Kollektion werden Sie also noch hören!

Ein weiteres Highlight war, als wir die Pfeifen und das Futteral für ein Koffer-Pfeifenset aussuchen konnten, das speziell für uns gestaltet wird. Auch dies wird einige Zeit in Anspruch nehmen. Aber dadurch, dass Dunhill die wunderschönsten Tweed-Stoffe, hochwertige Leder und überaus fähige Mitarbeiter vor Ort hat, kann alles inhäusig erledigt werden.

Ganz besonders aufgeregt waren wir, als wir das Archiv besuchen konnten, damit uns Kalmon einige äußerst interessante Stücke zeigen kann. Dunhill pflegt seine eigene Geschichte, und sein Archiv. Auch jetzt kauft man besonders sammelwürdige Exponate an, um die Firmenhistorie möglichst vollständig zu dokumentieren. Wahrscheinlich ist die Geschichte keines anderen Pfeifenherstellers so gut dokumentiert. Kalmon holt sich hier außerdem immer wieder Inspiration für Shapes, die es sich lohnt wiederzubeleben und um die beliebten Limited Editions zu gestalten. Zu vielen Stücken kann man Geschichten erzählen, und von vielen ist der Vorbesitzer bekannt. Von den Limited Editions geht übrigens niemals die Nummer 1 in den Handel. Sie verbleibt immer im Haus.

Beim Aussuchen der Pfeifen für unseren Bestand ist uns übrigens aufgefallen, dass keine Root Briar (helles, glattes Finish) dabei waren. Kein Wunder, Kalmon erklärte uns, das Root Briar Pfeifen gesammelt werden, bis eine größere Anzahl vorhanden ist. So ist es einfacher, ein Grading für die jeweilige Pfeife zu finden, denn man kann die Maserungen besser miteinander vergleichen. Besonders gut gemaserte Pfeifen werden nämlich mit Sternen – 1 * bis zu 6 ****** – gekennzeichnet. Auch hervorragend gemaserte Amber Root Pfeifen (karamellbraune Kontrastbeizung) werden mit 1 bis 3 Flammen gekennzeichnet. Unser Pfeifenspezi Janez Valada hatte große Freude daran, mit Kalmon jede einzelne Pfeife zu begutachten und zu bewerten.

Abschließend lässt sich festhalten, dass wir sehr beeindruckt nach Hause fuhren. Die vielfältigen Erlebnisse und Inspirationen müssen jetzt erst einmal verarbeitet werden. Wir freuen uns natürlich auf die Pfeifen, die wir aussuchen konnten. Besonders auf die Exemplare mit Geschichte.

Nicht zuletzt hoffen wir natürlich auch, den Mund etwas wässrig gemacht zu haben. Dunhill ist nicht mehr und nicht weniger als der „Erfinder“ der modernen Bruyerepfeife. Fertigungstechniken, Qualitätsstandards und Pfeifenshapes fanden hier in London zum ersten Mal ihre Anwendung und Verwirklichung. Vergleichbare Unternehmen gibt es wahrscheinlich nur in anderen Branchen. Zum Beispiel die Automarke mit dem Stern, oder die Schweizer Uhrenmarke mit der Krone. Die Qualitätsanforderungen sind ungebrochen hoch. Der Gebrauchtmarkt floriert. Wäre es daher nicht auch Zeit für eine Dunhill-Pfeife in Ihrer Sammlung?

 

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