Lange Zeit durften wir in Deutschland nicht an diesem Tabakphänomen teilhaben, das die Pfeifenwelt- und zwar vorwiegend in den englischsprachigen Ländern, nun seit 124 Jahren in Atem hält.
Doch dankenswerter Weise konnten wir im Jahre 2018 die Markteinführung des St. Bruno Flake auf dem deutschen Markt erleben. Dieses Jahr (2020) kam der St. Bruno Ready Rubbed hinzu, der zwar vorläufig nur Limitiert auf 3000 Päckchen ist, aber wir hoffen, dass der Importeur Arnold Andre durch Ihre Käufe dazu angehalten ist die Limitierung zu überdenken.
Dass St. Bruno nun bei uns zu bekommen ist, kann man dem Umstand zurechnen, dass Mac Baren im Jahr 2015 die Rechte an allen ehemaligen Imperial- Tobacco Pfeifentabakmarken erwarb. Im Falle des St. Bruno, war Mac Baren sogar schon seit dem Jahre 2006 Lohnhersteller, denn in diesem Jahr hatte Imperial Tobacco sein letztes Werk für die Pfeifentabakproduktion geschlossen.
Für die Produktion von St. Bruno Flake musste Mac Baren ein wichtiges Detail an den Flakepressen ändern. Sie mussten beheizbar gemacht werden, wie es bei Ogden’s Gang und Gäbe war. Das Heißpressen von Flakes, ist dadurch wieder bei Mac Baren eingezogen- und der Pfeifenraucher profitiert auch bei anderen Blends (Amphora, Mac Baren HH) davon.
Dennoch ging 2006 leider ein Kapitel zu Ende, das 1896 in Liverpool bei Ogden’s seinen Anfang nahm.Wie auch heute noch auf den St. Bruno- Packungen vermerkt ist, war „Ogden’s of Liverpool“ der ursprüngliche Hersteller dieses Tabaks.
Thomas Ogden war zunächst ein Einzelhändler, der seit 1860 ein kleines Geschäft auf der Park Lane in Liverpool betrieb. Innerhalb von sechs Jahren konnte Ogden die erste Tabakfabrik gründen und schaffte es in den nächsten 20 Jahren auf insgesamt 20 Niederlassungen in der Stadt. 1899 begannen die Arbeiten an den großen Gebäuden an der Boundary Lane, die heute auch noch erhalten sind. Hier wurde alles zusammengefasst. Schon in diesem Jahr war St. Bruno die wichtigste Marke Ogden’s und um diese Position auszubauen, investierte man 25 % der Nettoerlöse in Werbemaßnahmen. Hier ging man für die damalige Zeit revolutionäre Wege, denn man warb nicht nur mit einem einfachen Logo, sondern gleich auch mit einem Slogan: „Ogden’s St. Bruno- The Tobacco That Won’t Be Hurried“.
Im Jahr 1902 wurde Ogden’s Teil von Imperial Tobacco, blieb aber wie alle Mitglieder dieses Verbund eigenständig. Interessanterweise ist Imperial Tobacco ursprünglich nur mit dem Ziel gegründet worden, sich aggressiver Aufkaufversuche der ATC (American Tobacco Company) zu erwehren. Schlüsselfigur dieser Gesellschaft war James Buchanan Duke, Geschäftsführer der ATC, der zur Überraschung diverser britischer Tabakfabrikanten in die Fabriken hineinmarschierte und rief: „Hallo Jungs, ich bin Duke aus New York, und bin gekommen um euer Geschäft zu übernehmen.“ Ihm wurde überall auf britisch- höfliche Art die Tür gezeigt. Später einigte man sich aber und das Resultat war die Gründung der British- American Tobacco Company Limited (BAT).
In diesem Verbund von Tabakproduzenten konnte Ogden’s in den folgenden Jahren florieren. Auch weil man mittlerweile auf eigene Rohtabak- Ankauforganisationen verfügte. 1927 wurden die ersten Werbespots von St. Bruno bei Radio Luxemburg gebracht. Werbung wurde selbst auf Londoner Bustickets gedruckt!
1924 kam die Ready Rubbed Variante auf den Markt und trug zum kontinuierlichen Wachstum erheblich bei. Der zweite Weltkrieg stoppte das Wachstum allerdings jäh. Man musste nun zusehen, dass die Produktion aufrecht erhalten werden konnte und den Bedarf zu decken. St. Bruno war bei Soldaten sehr beliebt, was seiner „männlichen Aura“ sehr zu Gute kam. Der Slogan nach der Kriegszeit klang so: „You’ll like St. Bruno- it’s a man’s Tobacco!“
Der Tabak war und ist noch immer mit Abstand der meisterverkaufte Tabak im Vereinigten Königreich. Klar, dass es schwierig wird hier präzise Angaben zur Mischung oder zum verwendeten Flavour zu machen. Aber es lässt sich festhalten, dass die Mischung schon immer bis zum heutigen Tag aus verschiedenen Virginias Und Kentucky bestand. Die Werbung sprach von zwölf verschiedenen Rohtabaken und 50 verschiedenen Aromatisierungs- Essenzen. Es war immer ein dunkler Flake, der besonders duftete. Allerdings waren die Flakescheiben bis in die 90er Jahre deutlich dünner als heutzutage. Es gibt tatsächlich dazu eine EU- Vorgabe, die eine Mindestdicke von 1,5mm vorschreibt. Dadurch werden frühere Versionen des Flakes deutlich einfacher in der Handhabung gewesen sein.
Wenn man über einen so „britischen“ Tabak, wie den St. Bruno schreibt, muss man wohl auch auf die britische Aromatiserungs- Gesetzgebung eingehen, die sich von der in Kontinetaleuropa und den USA erheblich unterscheid. Es durfte nur verwendet werden, was von einer Kommission genehmigt worden war. Dabei wurden nur genehmigt, was natürlichen Ursprungs war. Und zwar in Form von Gewürzen, in Ölessenzen, oder Alkohollösungen. Dies ist auch der Grund, warum es keine beliebte ursprünglich- englische Mischung gibt, die nach Kirsche, Vanille, Gummibärchen oder Schwarzwälder Kirschtorte duftet. In dem unten stehenden Dokument lassen sich „Flavourings“ sehen die genehmigt worden sind. Dazu zählt Zimt, Nelken, Cumin, Tonkabohne, Kardamon usw.
St. Bruno war zwischen den 40er und 80er Jahren der beliebteste Tabak in UK. Vor allem die arbeitende, männliche Bevölkerung rauchte diesen Tabak mit Vorliebe. Der klassische „Labour Party Voter“ rauchte wohl St. Bruno Flake in seiner Falcon- Pfeife. Der Fabrikbesitzer oder Prokurist vielleicht Mixtures wie Dunhill oder Simmons aus feineren Charatan oder Dunhill- Pfeifen. Man konnte St. Bruno an jeder Straßenecke kaufen. Ob Kiosks, Supermarkt, Tabakfachgeschäften, oder beim Zeitungsverkäufer. So haftet dem St. Bruno auch heute noch etwas „geerdetes“ und authentisches an, im besten Sinne natürlich.
Die Frage, ob sich der Tabak über die Jahrzehnte, sogar Jahrhunderte geändert hat, ist klar mit „Ja“ zu beantworten. Zum einen hat sich die Auswahl der Rohtabaksorten natürlich eingeschränkt. Aber auch schon in den 60er Jahren wurde eine Änderung der Mischung vollzogen, als Tabak aus Zimbabwe, damals noch „Rhodesien“ aufgrund eines Embargos nicht mehr eingekauft werden durfte. Ersetzt wurde dieser Tabak mit Blattgut aus Malawi. Der Unterschied muss wohl erheblich gewesen sein, denn Stammraucher wendeten sich mit Protestschreiben an Ogden’s. Hier kann man erkennen, welchen Stellenwert afrikanische Virginias schon immer in englischen Flakes hatten. Durch die große Hitze und harschen Umwelteinflüsse sowie starke Sonneneinstrahlung , haben afrikanische Tabake ein besonders starken Eigengeschmack und Nikotingehalt. Diese Nikotinreichen Tabake sind heutzutage fast nicht mehr erhältlich. Sicherlich auch der Gesetzgebung geschuldet, die Obergrenzen für den Nikotingehalt reglementiert.
Des Weiteren konnte bis Anfang der 2000er Jahre noch Cumarin verwendet werden. Cumarin ist ein natürlich vorkommender aromatischer sekundärer Pflanzenstoff, der z.B. aus Tonkabohne, Zimt oder Waldmeister extrahiert wird. Er hat einen sehr eigentümlich süß- würzigen Duft und gilt heutzutage als Gesundheitsgefährdend, sogar Gefahrgut. Seit 1981 ist dieser Stoff in Tabaken und Lebensmitteln in Deutschland verboten. Cumarin ist also der Grund, wieso es St. Bruno so lange nicht in Deutschland geben konnte, denn St. Bruno hatte eine gehörige Dosis dieses Stoffes:
Wie man sich denken kann, ist dieser Stoff heutzutage nicht mehr im St. Bruno enthalten. Genauso wie einige der Nikotinreichen Tabake. Der Autor dieses Beitrages hatte das Vergnügen einige Füllungen St. Bruno aus den 50er Jahren zu rauchen und kann bestätigen, dass der Tabak zu dieser Zeit wahrhaftig eine potente Kraft hatte. Dabei aber etwas vanillig duftete. Diese alte Mischung würde von uns heutzutage wahrscheinlich nicht als „naturnah“ eingestuft werden. Mal ganz davon abgesehen, dass man von ihm einen schönen „Nikotin- Rundflug“ bekommt.
Dennoch ist die heutige Mischung nicht allzu weit entfernt von der damaligen Variante. Wohl aber deutlich milder, natürlicher und verträglicher. Welche Aromatisierungen heutzutage in St. Bruno enthalten sind, ist natürlich das Betriebsgeheimnis von Mac Baren. Was damals zu Imperial- Zeiten enthalten war, lassen diese Dokumente erahnen:
Leider ist nicht überliefert, was „BRUNSAN“ oder „KARMOS“ oder „BRUNBAC“ für eine Flavour- Komposition ist, aber auch heutzutage wären die Tabakhersteller sicher daran interessiert dies herauszufinden.
Uns bleibt diesen Tabak heute mit ein wenig Geschichtsbewusstsein zu genießen, vielleicht während man sich ein paar St. Bruno- Werbespots aus den 60- 80er Jahren auf YouTube anschaut. Pfeife zu rauchen war anders als heute, eine völlig alltägliche, selbstverständliche Tätigkeit. Es hab Millionen von Pfeifenrauchern. Es liegt an uns, diese Tradition ein Stück weit zu bewahren.
Vielen Dank an Per Georg Jensen von Mac Baren für die Zugänglichkeit einiger Informationen. Ebenfalls Dank an Carsten Andersen, der ebenfalls an einem Artikel über St. Bruno für die dänische Zeitschrift „Piber & Tobak“ arbeitete. Danke auch an Terry Carpenter für die sensationellen St. Bruno Werbebooklets, sowie an Arno van Goor für das posten einiger, öffentlich zugänglicher Links über Tabakzusätze. Ein besonderer Dank an Leander Hirthe für die Tabakprobe des alten St. Bruno!